In der Antike wurde seit frühesten Zeiten mit der Rohrfeder (lat. arundo, calamus) Binsen- oder Schilfrohr geschriegen. Erst relativ spät - im 2. Jahrhundert nach Christus - kommt auch die Gänsefeder allmählich in Gebrauch. Die Humanisten schrieben mit der Rohrfeder, die sie vom Orient übernahmen. Die unelastische Rohrfeder verdrängte die Gänsefeder allerdings nicht.
Von jeder Gans konnte man durchschnittlich zehn bis zwölf gute Kiele erhalten, höchstens zwanzig. Holland und Deutschland lieferten große Mengen Gänsekiele, Hauptproduktionsländer aber waren Polen und Rußland, wo Gänse in riesigen Scharen vor allem für Schreibfedern gezogen wurden. Über 27 Millionen Kiele pro Jahr wurden allein von St. Petersburg nach England exportiert.
Um die Kiele besser auszunutzen, ließ sich 1809 Joseph Brahmah in England eine Maschine patentieren, mit der er die Feder längs und quer mehrfach teilen konnte und so bis zu zwanzig Abschnitte ("nibs") erhielt. Diese wurden angespitzt und in einem hölzernen Feder-Halter befestigt: Dies waren die Vorläufer der späteren Stahlfedern.
Abb. Abschnitt eines Kiels zum Aufstecken auf einen hölzernen Halter.
Die besten Schreib- und Zeichenfedern werden von den Straußen, Schwänen, Gänsen und Raben erhalten. Der beyden ersteren, die sehr stark sind, bedient man sich vornehmlich zum Schreiben auf Pergament oder dickem Papier, gleichwie man die Gänsefedern nur zum gewöhnlichen Schreiben, die Rabenfedern aber zum Zeichnen und Feinschreiben gebraucht. Doch werden jetzt auch sehr häufig die Situations-Zeichnungen und feine Schriften mit den Gänsefedern gemacht.
Das Ziehen der Federn, wodurch sie ihre gehörige Härte bekommen, und wodurch das Fett heraus gebracht wird, geschieht durch einen ganz leichten Kunstgriff. Man bedient sich dazu entweder der warmen Asche oder glühenen Kohlen. In der Asche aber dürfen keine Kohlen seyn, auch muß dieselbe weder zu heiß noch zu kalt seyn; im ersten Falle erweicht der Kiel zu bald, und wird zähe, anstatt hart zu werden, da er dann beym Schneiden Zähne bekommt; im andern Falle erweicht der Kiel entweder nicht genug, oder meistens durchdringt die Wärme nicht alle Theile des Kiels, und dann bekommt er wieder Zähne.
Am besten ist es, wenn man die Schreib- und Zeichenfedern über dem Kohlenfeuer auf folgende Art bearbeitet. Zuerst hüte man sich, daß die Kohlen keine Flamme geben, denn sonst würde die darüber gehaltene Feder augenblicklich verbrennen. Man bewegt die Feder über den Kohlen geschwinde hin und her, und thut sie oft gar vom Feuer, um zu fühlen, ob sie durchaus und im gleichen Grad erweicht sey. Ist dieses, so legt man einen wollenen Lappen auf das Knie, nimmt den Kiel in die linke Hand, so daß der Rücken davon unter sich gekehrt ist, hält denselben auf den Lappen, und drückt mit dem Rücken eines breiten Messers oben auf den Anfang des Kiels, zieht denselben durch, da dann eine durchsichtige Strieme entsteht, und das äußerste Häutchen sich ablöst. Alsdann drückt man den Kiel in seine vorige runde Gestalt, indem man ihn, während er noch warm ist, anhaltend durch ein Tuche zieht. Wer gern harte Spuhlen hat, der kann dieselben auch zweymal ziehen, und ihnen zwey Striemen geben, doch muß beim zweyten Ziehen die Feder vorher erkaltet seyn.
Um in der Geschwindigkeit, auch ohne Kohlenfeuer, gute Schreib- und Zeichenfedern bereiten zu können, so nimmt man ein Stück grobes Löschpapier, legt solches sechs- bis achtfach über einander, wickelt die zu ziehenden Federkiele in dasselbe, legt sie sonach auf das Knie, hält sie mit der flachen, linken Hand bey der Umwickelung fest, und bewegt die Feder mit der rechten Hand so lange hin und her, bis sie sich durchaus gleichförmig erhitzt hat, so wird man durch dieses Verfahren auch schöne, reine, harte, und von Ihrem Fette befreyte Federn bekommen.
Eine unangenehme Sache ist es, wenn eine Feder beym Schneiden Zähe bekommt. Allein diese Zähne gehen selten durch die ganze Dicke des Kiels, und befinden sich nur auf der Oberfläche; man schabe nun so lange an den Kiel, bis die vorhandenen Zähne weggefallen sind. Wenn ein Kiel seine gehörige Härte hat, so bekommt er nie Zähne.
Die holländischen und hamburgischen Federkiele werden für die besten gehalten; aber auch in Böhmen, und besonders Siebenbürgen, erhält man von Gänsen und Raben vorzüglich gute Schreib- und Zeichenfedern.
Text entnommen aus: Der deutsche Kunstfreund, 1825
Das Schneiden eines Federkiels erfolgt nach den gleichen Schritten wie bei der Rohrfeder. Nur das Material verhält sich anders. Zum Üben ist in jedem Falle das Rohr (Bambus) zu empfehlen. Zum Einen ist das Material leichter zu bearbeiten und erfordert keine Vorbehandlung, zum Anderen ist es leichter zu beschaffen und wesentlich günstiger. In jedem Bau- oder Gartenmarkt ist es erhältlich.
Eine Anleitung zum Schneiden der Rohrfeder finden Sie hier.
Abb: Ich habe es nie fertig gebracht, eine Feder zu schneiden. Michel de Montaigne